Von Fachanwältin für Arbeitsrecht Anna Fischer
Laut aktueller Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts: Nein!
In seinem Urteil vom 12. November 2024 (Aktenzeichen 9 AZR 13/24) hat das Bundesarbeitsgericht festgestellt, dass regelmäßig davon auszugehen ist, dass eine Beschäftigung eines Arbeitnehmers zum Zwecke der Überlassung erfolgt ist, wenn ein Unternehmern, dass einem Konzern angehört, einen Arbeitnehmer seit Beginn des Arbeitsverhältnisses über mehrere Jahre einem anderen Konzernunternehmen überlässt. Dann kann sich das entleihende Unternehmen nicht auf das Konzernprivileg im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz berufen.
Grundsätzlich kommt zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer gemäß § 10 Abs. 1 AÜG ein Arbeitsverhältnis zustande, wenn der Arbeitsvertrag zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer aus einem der in § 9 Abs. 1 AÜG aufgeführten Gründe unwirksam ist. Diese Rechtsfolge tritt bei einer Arbeitnehmerüberlassung zwischen Konzernunternehmen jedoch nicht ein (Konzernprivileg), es sei denn, der Arbeitnehmer wird „zum Zweck der Überlassung eingestellt und beschäftigt“.
In dem dem vorgenannten Urteil zugrunde liegenden Fall war der Kläger über einen Zeitraum von insgesamt 12 Jahren bei der A-GmbH angestellt. Seine vertraglich geschuldete Tätigkeit verrichtet er aber auf dem Werksgelände der B-GmbH, einem Unternehmen der Automobilindustrie. Die A-GmbH und die B-GmbH waren während der Beschäftigungsdauer des Klägers konzernverbundene Unternehmen. Der Kläger hatte mit seiner Klage geltend gemacht, dass zwischen ihm und der B-GmbH gemäß § 10 Abs. 1 in Verbindung mit § 9 Abs. 1 AÜG ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen ist, weil er seit Anbeginn seiner Beschäftigung bei der B-GmbH unter Verletzung der Vorgaben des AÜG als Leiharbeitnehmer eingesetzt worden sei. Die vertragliche Zusammenarbeit zwischen der B-GmbH und der A-GmbH sei nicht dienst- oder werkvertraglicher Natur gewesen, sondern als Arbeitnehmerüberlassung zu qualifizieren.
Die Vorinstanzen haben die Klage des Klägers abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat insbesondere die Voraussetzungen für das Eingreifen des Konzernprivilegs bejaht, weil der Kläger nicht zum Zwecke der Überlassung eingestellt und beschäftigt wurden sei. Das BAG war jedoch anderer Ansicht. Es führte hierzu insbesondere aus, dass das Konzernprivileg nicht nur dann unanwendbar sei, wenn Einstellung und Beschäftigung zum Zwecke der Überlassung erfolgen. Die Konjunktion und in § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG ist als Aufzählung der bezeichneten Sachverhalte zu verstehen. Nach dem Willen des Gesetzgebers kommt das Konzernprivileg auch dann nicht zur Anwendung, wenn der Arbeitnehmer zum Zwecke der Überlassung eingestellt oder beschäftigt wird. Dies sei regelmäßig der Fall, wenn der Arbeitnehmer seit Beschäftigungsbeginn über mehrere Jahre hinweg durchgehend als Leiharbeitnehmer eingesetzt wird. Eine solche Praxis injiziere einen entsprechenden Beschäftigungszweck.
Das Bundesarbeitsgericht hat die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen, um weitere Tatsachen aufzuklären, da zwischen den Parteien die Umstände strittig waren, unter denen der Kläger seine Arbeitsleistung erbrachte.
Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts verschärft die ohnehin schon nicht einfache Handhabe zum Konzernprivileg bei der Arbeitnehmerüberlassung. Unternehmen ist daher anzuraten, genau zu prüfen, ob Mitarbeiter lediglich eingestellt oder beschäftigt werden, um sie einem konzernverbundenen Unternehmen zu überlassen.