Von Rechtsanwalt Manfred v. Gizyckimanfred v gizycki

Ist eine Betriebsratsanhörung bereits dann unwirksam, wenn die 2-Wochen-Frist bei einer fristlosen Kündigung nicht gewahrt ist oder auf „tarifliche Unkündbarkeit“ des Arbeitnehmers nicht hingewiesen wurde?

Antwort: 

Das Bundesarbeitsgericht (Urt. v. 07.05.2020 - 2 AZR 678/19) hatte über folgenden Fall zu entscheiden:

Nach Anhörung und Zustimmung des Betriebsrats kündigte die Beklagte dem seit 1982 als Konstruktionsingenieur beschäftigten Kläger mit Schreiben vom 7.3.2018 das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich zum 31.10.2018. Gegen die  Kündigung erhob der Konstruktionsingenieur Klage. Er begründete diese damit, dass kein Kündigungsgrund bestehe. Insbesondere habe die Beklagte die sich aus § 626 Abs. 2 BGB ergebende Zweiwochenfist nicht gewahrt. Auch sei der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß beteiligt worden. Eine ordentliche Kündigung sei aufgrund der auf sein Arbeitsverhältnis Anwendung findenden Tarifverträge der Metallindustrie ausgeschlossen.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht (LAG) folgten im Ergebnis der Rechtsauffassung des Klägers und gaben der Klage statt. Die von der Beklagten beim Bundesarbeitsgericht (BAG) eingelegte Revision war aber erfolgreich. In seiner Entscheidung kommt das BAG zu dem Ergebnis, dass das LAG die Berufung der Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil nicht zurückweisen durfte. Ob die Kündigung  wirksam ist, konnte das BAG nicht abschließend entscheiden. Die Sache wurde, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils, an das LAG zurückverwiesen, da sich weder das Arbeitsgericht noch das Landesarbeitsgericht in ausreichender Weise mit den von der Beklagten vorgebrachten Kündigungsgründen auseinander gesetzt haben. Unter Beachtung der Hinweise des BAG hat nunmehr das LAG darüber zu entscheiden, ob die von der Beklagten ins Feld geführten Gründe ausreichend, sind um die dem Kläger ausgesprochene fristlose Kündigung zu begründen.

In seiner Begründung führt das BAG aus, dass die Kündigung nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam ist. Entgegen der Auffassung des Klägers habe die Beklagte den Betriebsrat weder über einen Sonderkündigungsschutz unterrichten noch weitere Ausführungen zur Wahrung der Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB machen müssen. Denn, so das BAG, die Mitteilungspflicht des Arbeitgebers im Rahmen von § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG reiche entgegen der Annahme des Klägers nicht so weit wie die Darlegungslast des Arbeitgebers im Prozess. Vielmehr richte sich der notwendige Inhalt der Unterrichtung des Betriebsrats nach Sinn und Zweck des Beteiligungsrechts. Dieser bestehe darin, den Betriebsrat im Rahmen der Unterrichtung in die Lage zu versetzen, sachgerecht, gegebenenfalls zu Gunsten des Arbeitnehmers, auf den Arbeitgeber einzuwirken. Dem Betriebsrat soll es durch Unterrichtung ermöglicht werden, die Stichhaltigkeit und Gewichtigkeit der von dem Arbeitgeber vorgebrachten Kündigungsgründe zu beurteilen und sich über diese eine eigene Meinung zu bilden. Es sei nicht Sache des Arbeitgebers, dem Betriebsrat im Rahmen der Anhörung eine selbstständige Überprüfung der rechtlichen Wirksamkeit der beabsichtigten Kündigung zu ermöglichen. Aus alledem ergebe sich, so das BAG, dass die Beklagte den Betriebsrat im Hinblick auf die vorrangig beabsichtigte außerordentliche fristlose Kündigung nicht darüber unterrichten musste, dass der Kläger - möglicherweise - einen besonderen Kündigungsschutz genoss.

Auch im Hinblick auf die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB sei nicht von einer fehlerhaften Anhörung des Betriebsrats auszugehen. Denn die Wahrung der Ausschlussfrist, so das BAG, gehöre nicht zu den "Gründen für die Kündigung" gem. § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG.  Somit ergebe sich, dass der Arbeitgeber hierzu keine gesonderten Ausführungen machen müsse. Ein solches Erfordernis überdehne die Zwecke des Anhörungsverfahrens. Denn dies liefe darauf hinaus, dem Gremium die - objektive - Überprüfung der Wirksamkeit der beabsichtigten Kündigung zu ermöglichen.

Das bedeute allerdings nicht, dass der Arbeitgeber nicht angeben müsse, wann ihm der Kündigungssachverhalt bekannt wurde. Denn nur so werde es dem Betriebsrat ermöglicht, die Stichhaltigkeit und Gewichtigkeit der Kündigungsgründe zu beurteilen und sich über sie eine eigene Meinung zu bilden. Auch dürften dem Betriebsrat mögliche - durch das Gesetz nicht inhaltlich begrenzte - Einwände gegen die beabsichtigte Kündigung nicht gezielt abgeschnitten werden. Das gelte auch für den denkbaren Einwand des Betriebsrats, eine außerordentliche Kündigung sei aus Sicht des Gremiums verfristet.

Soweit der Arbeitgeber gegenüber dem Betriebsrat Angaben mache, die für die Einhaltung der Frist des § 626 Abs. 2 BGB von Bedeutung sein können, müssten diese wahrheitsgemäß erfolgen. Dass diese Anforderungen erfüllt sind, ergebe sich aus dem Anhörungsschreiben. Denn dies sind die erforderlichen Angaben darüber, zu welchem Zeitpunkt der Arbeitgeberin die zur Kündigung führenden Gründe bekannt wurden.

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