Von Rechtsanwalt Tobias Wilkens
Darf der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer fristlos kündigen, nachdem der Arbeitnehmer zur Verfügung gestelltes Desinfektionsmittel entwendet?
Antwort:
Ja. Bei einem Paketzusteller hat ein Arbeitnehmer im März 2020 einen Liter Desinfektionsmittel sowie eine Handtuchrolle des Arbeitgebers entwendet. Der Arbeitgeber kündigte fristlos.
Erstinstanzlich ist die Kündigungsschutzklage vom Arbeitsgericht Mönchengladbach abgewiesen worden. Die zuständige fünfte Kammer des LAG Düsseldorf hat mir Urteil vom 14. Januar 2021 (Aktenzeichen 5 Sa 483/20) die Berufung des Arbeitnehmers zurückgewiesen und die fristlose Kündigung bestätigt.
Der als Be- und Entlader sowie als Wäscher für Fahrzeuge beschäftigte Arbeitnehmer führte in der Nachtschicht des 23. März 2020 mit sechs bis sieben weiteren Kollegen die Wäsche der Wagen des Paketzustellunternehmens durch. Als er nach dem Ende seiner Sicht um 07:50 Uhr den Arbeitsplatz verließ, wurde sein Pkw in einer stichprobenartig erfolgten Kontrolle an der Ausfahrt des Betriebes kontrolliert. Es war bereits in der Vergangenheit zu Entwendungen von Desinfektionsmitteln gekommen, die Unternehmensleitung hatte daher Kontrollen veranlasst. Im Kofferraum des Fahrzeuges des Arbeitnehmers fand der zuständige Werkschutz eine Handtuchrolle sowie einen Liter Desinfektionsmittel, die der Arbeitnehmer vermutlich am Arbeitsplatz entwendet hatte.
Am 25. März 2020 sprach der Arbeitgeber die fristlose Kündigung aus, die zuvor vom Betriebsrat bestätigt wurde.
Der Arbeitnehmer führte in seiner Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Mönchengladbach aus, dass er gegenüber dem Werkschutz gesagt habe, dass er das Desinfektionsmittel habe mitnehmen dürfen, damit er sich unterwegs die Hände desinfizieren könne. Aushänge im Sanitärbereich des Unternehmens hatten das Mitnehmen von Desinfektionsmitteln allerdings untersagt und eine fristlose Kündigung sowie eine Anzeige bei der Polizei als Konsequenz angekündigt.
Die Einlassung des Arbeitnehmers wertete das LAG als „nicht glaubhaft“. Das Gericht ging davon aus, dass der Angestellte das Desinfektionsmittel zu dem Zweck entwendet hatte, es für sich selbst zu verbrauchen. Hätte er es bei der Arbeit weiterhin selbst verwenden wollen, hätte er es auf den dafür vorgesehenen Materialwagen stellen können. Es war für das Gericht nicht nachvollziehbar, dass der Arbeitnehmer das Desinfektionsmittel für seine Kollegen bereitstellen wollte. Erschwerend kam hinzu, dass die Flasche nicht angebrochen war, er es also nicht jede Stunde benutzt haben konnte.
Das LAG bewertete weiter zu Lasten des Arbeitnehmers, dass dieser davon gewusst habe, dass Desinfektionsmittel zum damaligen Zeitpunkt nicht ausreichend vorhanden war und dass der Arbeitgeber mit Versorgungsschwierigkeiten zu kämpfen hatte.