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Folgen der Freistellung eines Arbeitnehmers von der Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung in Bezug auf seine Mitgliedschaft im Betriebsrat

Von Rechtsanwältin Anna Fischer

Hat die Freistellung eines Arbeitnehmers von der Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung während der Kündigungsfrist das Erlöschen von dessen Mitgliedschaft im Betriebsrat gem. § 24 Nr. 4 BetrVG zur Folge?

Antwort:

Nein. Dies entschied das Hessische Landesarbeitsgericht mit Beschluss vom 21. Dezember 2020 zum Aktenzeichen 16 TaBVGa 189/20. Arbeitgeber und Arbeitnehmer stritten im vorliegenden Fall über die Wahrnehmung des Betriebsratsamtes durch den Arbeitnehmer, seinen Zugang zu den informationstechnischen System des Betriebsrates und zum Betrieb sowie über die Verpflichtung des Arbeitgebers, es zu unterlassen, den Betriebsrat Vorgaben im Hinblick auf die Einstellung und Ausübung des Betriebsratsamtes durch den Arbeitnehmer zu machen.

Arbeitgeber und Arbeitnehmer schlossen zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses einen Aufhebungsvertrag, nach dem das Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 2021 enden wird. Ab dem 1. April 2020 wurde der Arbeitnehmer unter Fortzahlung der vertragsgemäßen Bezüge unwiderruflich von der Erbringung seiner Arbeitsleistung freigestellt. Er hatte bis zum 31. März 2020 alle ihm zur Verfügung gestellten Unterlagen sowie das Firmeneigentum an den Arbeitgeber zurückzugeben. Den ihm überlassenen Firmenlaptop gab der Arbeitnehmer jedoch nicht heraus und nahm ab dem Zeitpunkt seiner unwiderruflichen Freistellung weiterhin an den Betriebsratssitzungen teil. Der Arbeitgeber vertrat die Auffassung, dass der Arbeitnehmer aufgrund der unwiderruflichen Freistellung sein Betriebsratsamt verloren habe und sperrte daraufhin sämtliche Zugänge, auch den Zugang zum Betrieb.

Das Hessische Landesarbeitsgericht entschied, dass für das Erlöschen der Mitgliedschaft nach § 24 Nr. 3 BetrVG wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf den Zeitpunkt der rechtlichen Beendigung abzustellen ist. In dem Aufhebungsvertrag haben der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer nur ihre individualvertraglichen Rechtsbeziehungen geregelt, nicht jedoch die kollektivrechtliche Beziehung. Es wäre ohne weiteres möglich gewesen, zu vereinbaren, dass das Betriebsratsmitglied vor dem 31. Dezember 2021, somit vor dem rechtlichen Ende des Arbeitsverhältnisses, zu einem vereinbarten Zeitpunkt von seinem Betriebsratsamt zurücktritt. Dies erfolgte jedoch nicht. Dieses Schweigen im Aufhebungsvertrag kann daher nur dahingehend verstanden werden, dass der Aufhebungsvertrag keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Betriebsratstätigkeit haben sollte. Dann muss es dem Arbeitnehmer und Betriebsratsmitglied aber möglich sein, sein Amt bis zum vereinbarten Ende des Arbeitsverhältnisses auszuüben. Eine Parallele zur Freistellung eines Altersteilzeitarbeitnehmers, wie vom Arbeitgeber vorgetragen, sah das Gericht nicht. Der Arbeitgeber wurde daher verpflichtet, die betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben durch den Arbeitnehmer zu dulden und ihm uneingeschränkten Zugang zu den durch die Betriebsratsmitglieder genutzten informationstechnischen Systemen sowie durch Überlassung einer aktivierten, gültigen Zugangskarte, ungehinderten Zutritt zu den Betriebsräumlichkeiten zu verschaffen.

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