Von Fachanwältin für Arbeitsrecht Anna Fischer

Laut Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 22. September 2021: Ja.anna fischer neu

Arbeitgeber und Betriebsrat einer Münchener Verkehrsgesellschaft befanden sich im Streit darüber, ob die Verlängerung eines Arbeitsverhältnisses über die tarifliche Altersgrenze hinaus der Zustimmung des Betriebsrates bedurfte. Der beim Arbeitgeber anzuwendende Tarifvertrag regelte, dass ein Arbeitsverhältnis mit Ablauf des Monats endete, in dem der/die Arbeitnehmer-/in das gesetzlich festgelegte Alter zum Erreichen der Regelaltersgrenze vollendet hat, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Sofern der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer den (tarif-)vertraglich fixierten Beendigungszeitpunkt über die Regelaltersgrenze hinausschieben möchten, bietet § 41 S. 3 SGB VI unter den dort geregelten Voraussetzungen die Möglichkeit hierzu. Im zu entscheidenden Fall teilte der Arbeitgeber dem Betriebsrat mit, dass das Arbeitsverhältnis eines bestimmten Mitarbeiters, das aufgrund der tarifvertraglichen Regelung wegen Erreichens der gesetzlichen Regelaltersgrenze mit Ablauf des 31. Mai 2019 geendet hätte, auf Wunsch des Arbeitnehmers nach § 41 S. 3 SGB VI um ein weiteres Jahr fortgesetzt werde. Eine Zustimmung des Betriebsrates zu der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses holte der Arbeitgeber nicht ein. Er begründete dies damit, dass eine Zustimmung des Betriebsrates gem. § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG (mitbestimmungspflichtige Einstellung) in solchen Fällen nicht erforderlich sei. Dieses Recht sei bereits durch die Zustimmung zur ursprünglichen Einstellung verbraucht.

Das BAG entschied, dass die Weiterbeschäftigung eines Arbeitnehmers über ein auf das Arbeitsverhältnis anwendbare tarifliche Altersgrenze hinaus eine nach § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtige Einstellung sei. Eine solche komme nicht nur bei der erstmaligen Aufnahme eines Mitarbeiters in den Betrieb in Betracht. Die Interessen der bereits dort beschäftigten Arbeitnehmer seien auch berührt, wenn ein Beschäftigter über den zunächst vorgesehenen Zeitpunkt hinaus in „Lohn und Brot“ bleibe. Mit der Weiterbeschäftigung, so das BAG, nimmt der Arbeitgeber -nicht anders als bei einer Neueinstellung- eine Besetzung des aufgrund der Befristung des Arbeitsverhältnisses frei werdenden Arbeitsplatzes vor. Dies könne Zustimmungsverweigerungsgründe auslösen, die bei der Ersteinstellung nicht voraussehbar waren. Bei jeder befristeten Einstellung reiche die Beteiligung des Betriebsrates daher grundsätzlich nur bis zu der vorgesehenen Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Vor Abschluss einer Hinausschiebensvereinbarung im Sinne von § 41 S. 3 SGB VI ist der Betriebsrat daher gem. § 99 Abs. 1 BetrVG anzuhören. Eine solche Vereinbarung ist folglich mitbestimmungspflichtig. Führt der Arbeitgeber eine entsprechende personelle Maßnahme ohne Zustimmung des Betriebsrates durch, kann der Betriebsrat beim Arbeitsgericht beantragen, dem Arbeitgeber aufzugeben, die personelle Maßnahme aufzuheben.

Beschluss des BAG vom 22. September 2021 – 7 ABR 22/20

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