Von Rechtsanwalt Tobias Wilkens

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Wahrscheinlich nicht.

Die Tendenz der Gerichte geht dahin, dass der Arbeitgeber den Urlaub nicht nachgewähren muss. Das LAG Hamm befürwortete zuletzt eine analoge Anwendung von § 9 UrlG. Ob diese Vorschrift analog angewendet werden kann, beurteilen die Gerichte bislang unterschiedlich. Das LAG Köln (Urteil vom 13.12.2021, Az: 2 Sa 488/21) entschied, dass Arbeitgeber Mitarbeitern, die im Urlaub in Quarantäne müssen, die Tage nicht nachgewähren muss. Dies sei nur bei nachgewiesener Arbeitsunfähigkeit der Fall. Auch das LAG Schleswig-Holstein entschied zuletzt ebenso, wogegen das LAG Hamm in einer neueren Entscheidung, eine analoge Anwendung von § 9 UrlG befürwortet.

 

  1. Entscheidung des LAG Schleswig-Holstein

In dem Fall, den das LAG Schleswig-Holstein (Urteil vom 15.02.2022, Az: 1 Sa 208/21; Arbeitsgericht Neumünster, 3. August 2021, Az: 3 Ca 362 b/21) zu entscheiden hatte, beantragte der Arbeitnehmer Urlaub, den der Arbeitgeber ihm auch bewilligte. Nach einem direkten Kontakt mit einem Corona-Infizierten ordnete das zuständige Gesundheitsamt für die Urlaubszeit die Corona- Quarantäne an. Der Arbeitnehmer musste also zuhause bleiben, war aber selbst nicht arbeitsunfähig erkrankt. Der Arbeitgeber sah den Urlaub dennoch als genommen an. Er zahlte für die Zeit Urlaubsentgelt und rechnete die Tage auf den Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers an.Der Arbeitnehmer vertrat dagegen die Auffassung, dass der Arbeitgeber ihm nicht wirksam Urlaub gewährt habe, sondern der Urlaubsanspruch immer noch bestehe. Aufgrund einer planwidrigen Regelungslücke sei § 9 BurlG zumindest analog anzuwenden. Er argumentierte damit, dass durch die Quarantäne seine Leistungsfähigkeit in Bezug auf die Arbeit wegegefallen sei, so dass der Arbeitgeber ihm überhaupt keinen Urlaub gewähren konnte. Zudem sei eine frei und selbst gewählte Urlaubsgestaltung aufgrund der Quarantäne gar nicht möglich gewesen.Dieser Argumentation hat sich das LAG Schleswig-Holstein nicht angeschlossen. Es bestätigte das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster. Eine analoge Anwendung des § 9 BUrlG auf den Fall einer Quarantäne-Anordnung während des Urlaubs könne nicht erfolgen. Es fehle schon an einer planwidrigen Regelungslücke, da die Unterscheidung zwischen Krankheit und einer Quarantäneanordnung wegen einer Ansteckungsgefahr bereits vor Corona bekannt war. Der Gesetzgeber habe mit § 9 BUrlG eine besondere Situation der Urlaubsstörung herausgegriffen und die anderen Fälle nicht entsprechend geregelt. Es handelt sich nach Meinung des Gerichts um eine nicht verallgemeinerungsfähige Ausnahmevorschrift. Im Übrigen sei eine klare Grenzziehung bei der Frage, wer das Risiko für die Urlaubsstörung trägt, nur möglich und praktikabel, wenn allein auf die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmenden abgestellt werde.

 

  1. Entscheidung des LAG Hamm

Auch hier wurde der Arbeitnehmer während seines Urlaubs unter behördliche Corona-Quarantäne gestellt. Der Arbeitnehmer ist als Schlosser bei einem Metall-Unternehmen angestellt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Manteltarifvertrag der Metall- und Elektroindustrie NRW Anwendung. Während seines Urlaubs musste er acht Tage in Quarantäne, weil er Kontakt hatte zu einem bestätigten COVID-19-Fall. Auch dieser Arbeitnehmer klagte, weil er die verlorenen Urlaubstage während der Quarantäne vom Arbeitgeber gutgeschrieben haben wollte. Nach seiner Meinung habe die Quarantäneanordnung dem Erholungszweck entgegengestanden. Bei einer solchen Anordnung erlösche der Urlaubsanspruch wie bei einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit analog § 9 UrlG nicht.

Das LAG Hamm gab dem Arbeitnehmer recht. Es urteilte, dass der Arbeitgeber die acht Urlaubstage gutschreiben und nachgewähren muss. Aus Sicht des Gerichts ist die Situation für den Arbeitnehmer im Fall einer behördlich angeordneten Corona-Quarantäne mit der einer Arbeitsunfähigkeit während des Urlaubs vergleichbar. Daher sei § 9 UrlG jedenfalls analog anzuwenden. Das LAG Hamm argumentierte insbesondere damit, dass der Arbeitnehmer, während seines Urlaubs gerade nicht frei über die Gestaltung seiner Zeit verfügen könne. Zwar schulde der Arbeitgeber grundsätzlich keinen Urlaubserfolg, aber der Arbeitnehmer müsse seine Freizeit uneingeschränkt nutzen können. Zudem seien die Grenzen zwischen Ausscheider nach Bundesseuchengesetz und Krankheit fließend, denn der Arbeitnehmer müsse ständig damit rechnen, sich doch infiziert zu haben.

Es bleibt abzuwarten, wie das BAG in dieser Frage entscheidet.

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