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Erstellt: 01. April 2021
Von Rechtsanwältin Anna Fischer
Kann der Arbeitgeber bei angeordneter Kurzarbeit Null Urlaubsansprüche des Mitarbeiters anteilig kürzen?
Antwort:
Laut aktuellem Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 12. März 2021 zum Aktenzeichen 6 Sa 824/20 soll dies möglich sein. Das Landesarbeitsgericht hatte über folgenden Fall zu entscheiden:
Die Klägerin war seit dem Jahr 2011 als Verkaufshilfe mit Backtätigkeiten in einem Betrieb der Systemgastronomie beschäftigt. Ihre Arbeitszeit umfasste eine Teilzeittätigkeit mit drei Tagen pro Woche. Umgerechnet standen ihr 14 Arbeitstage Urlaub pro Kalenderjahr zu. Ab dem 1. April 2020 ordnete der Arbeitgeber aufgrund der Corona-Pandemie von April bis Dezember wiederholt Kurzarbeit Null an. In den Monaten Juni, Juli und Oktober 2020 bestand diese durchgehend. Der Arbeitgeber gewährte der Klägerin im August und September 2020 insgesamt 11,5 Urlaubstage. Die Klägerin begehrt die gerichtliche Feststellung, dass ihr für das Jahr 2020 der ungekürzte Urlaub von 14 Arbeitstagen zustehe, so dass ihr noch 2,5 Urlaubstage zu gewähren seien. Sie begründete dies mit der Auffassung, dass die Kurzarbeit keinen Einfluss auf ihre Urlaubsansprüche habe. Konjunkturbedingte Kurzarbeit erfolge nicht auf Wunsch des Arbeitnehmers, sondern im Interesse des Arbeitgebers. Kurzarbeit sei auch keine Freizeit, sie unterliege während der Kurzarbeit Meldepflichten. Des Weiteren könne der Arbeitgeber die Kurzarbeit kurzfristig vorzeitig beenden, weswegen es an einer Planbarkeit der freien Zeit fehle. Der Arbeitgeber argumentierte, dass mangels Arbeitspflicht während der Kurzarbeit Null auch keine Urlaubsansprüche entstehen. Dementsprechend sei der Urlaubsanspruch der Klägerin für das Jahr 2020 mit Gewährung von 11,5 Urlaubstagen bereits vollständig erfüllt.
Sowohl das Arbeitsgericht Essen in erster Instanz als auch das Landesarbeitsgericht Düsseldorf in zweiter Instanz wiesen die Klage der Klägerin auf Feststellung ab. Zur Begründung führte das Landesarbeitsgericht Düsseldorf folgendes aus:
„Aufgrund der Kurzarbeit Null in den Monaten Juni, Juli und Oktober 2020 habe die Klägerin in diesem Zeitraum keine Urlaubsansprüche erworben. Im Hinblick darauf, dass der Erholungsurlaub bezweckt, sich zu erholen, setze dies eine Verpflichtung zur Tätigkeit voraus. Da während der Kurzarbeit die beiderseitigen Leistungspflichten aufgehoben sind, werden Kurzarbeiter wie vorübergehend teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer behandelt, deren Erholungsurlaub ebenfalls anteilig zu kürzen sei. Dies entspreche auch dem Europäischen Recht, weil nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs während Kurzarbeit Null der Europäische Mindesturlaubsanspruch nicht entstehe. Das deutsche Recht enthält hierzu auch keine günstigere Regelung. Weder existiere diesbezüglich eine spezielle Regelung für Kurzarbeit noch ergibt sich etwas anderes aus den Vorschriften des Bundesurlaubsgesetzes.“
Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen. Bei der Kürzung von Urlaubsansprüchen aufgrund Kurzarbeit Null ist zu beachten, dass dies nur möglich ist, wenn tatsächlich in Kurzarbeit Null gearbeitet wird, eine zeitanteilige Erbringung der Arbeitsleistung während der Kurzarbeit berechtigt nicht zur Kürzung von Urlaubsansprüchen. Des Weiteren ist eine Kürzung nur für volle Kalendermonate möglich.
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Erstellt: 03. Februar 2021
Von Rechtsanwalt Tobias Wilkens
Darf der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer fristlos kündigen, nachdem der Arbeitnehmer zur Verfügung gestelltes Desinfektionsmittel entwendet?
Antwort:
Ja. Bei einem Paketzusteller hat ein Arbeitnehmer im März 2020 einen Liter Desinfektionsmittel sowie eine Handtuchrolle des Arbeitgebers entwendet. Der Arbeitgeber kündigte fristlos.
Erstinstanzlich ist die Kündigungsschutzklage vom Arbeitsgericht Mönchengladbach abgewiesen worden. Die zuständige fünfte Kammer des LAG Düsseldorf hat mir Urteil vom 14. Januar 2021 (Aktenzeichen 5 Sa 483/20) die Berufung des Arbeitnehmers zurückgewiesen und die fristlose Kündigung bestätigt.
Der als Be- und Entlader sowie als Wäscher für Fahrzeuge beschäftigte Arbeitnehmer führte in der Nachtschicht des 23. März 2020 mit sechs bis sieben weiteren Kollegen die Wäsche der Wagen des Paketzustellunternehmens durch. Als er nach dem Ende seiner Sicht um 07:50 Uhr den Arbeitsplatz verließ, wurde sein Pkw in einer stichprobenartig erfolgten Kontrolle an der Ausfahrt des Betriebes kontrolliert. Es war bereits in der Vergangenheit zu Entwendungen von Desinfektionsmitteln gekommen, die Unternehmensleitung hatte daher Kontrollen veranlasst. Im Kofferraum des Fahrzeuges des Arbeitnehmers fand der zuständige Werkschutz eine Handtuchrolle sowie einen Liter Desinfektionsmittel, die der Arbeitnehmer vermutlich am Arbeitsplatz entwendet hatte.
Am 25. März 2020 sprach der Arbeitgeber die fristlose Kündigung aus, die zuvor vom Betriebsrat bestätigt wurde.
Der Arbeitnehmer führte in seiner Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Mönchengladbach aus, dass er gegenüber dem Werkschutz gesagt habe, dass er das Desinfektionsmittel habe mitnehmen dürfen, damit er sich unterwegs die Hände desinfizieren könne. Aushänge im Sanitärbereich des Unternehmens hatten das Mitnehmen von Desinfektionsmitteln allerdings untersagt und eine fristlose Kündigung sowie eine Anzeige bei der Polizei als Konsequenz angekündigt.
Die Einlassung des Arbeitnehmers wertete das LAG als „nicht glaubhaft“. Das Gericht ging davon aus, dass der Angestellte das Desinfektionsmittel zu dem Zweck entwendet hatte, es für sich selbst zu verbrauchen. Hätte er es bei der Arbeit weiterhin selbst verwenden wollen, hätte er es auf den dafür vorgesehenen Materialwagen stellen können. Es war für das Gericht nicht nachvollziehbar, dass der Arbeitnehmer das Desinfektionsmittel für seine Kollegen bereitstellen wollte. Erschwerend kam hinzu, dass die Flasche nicht angebrochen war, er es also nicht jede Stunde benutzt haben konnte.
Das LAG bewertete weiter zu Lasten des Arbeitnehmers, dass dieser davon gewusst habe, dass Desinfektionsmittel zum damaligen Zeitpunkt nicht ausreichend vorhanden war und dass der Arbeitgeber mit Versorgungsschwierigkeiten zu kämpfen hatte.