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Erstellt: 13. April 2022
Von Rechtsanwalt Tobias Wilkens
Wahrscheinlich nicht.
Die Tendenz der Gerichte geht dahin, dass der Arbeitgeber den Urlaub nicht nachgewähren muss. Das LAG Hamm befürwortete zuletzt eine analoge Anwendung von § 9 UrlG. Ob diese Vorschrift analog angewendet werden kann, beurteilen die Gerichte bislang unterschiedlich. Das LAG Köln (Urteil vom 13.12.2021, Az: 2 Sa 488/21) entschied, dass Arbeitgeber Mitarbeitern, die im Urlaub in Quarantäne müssen, die Tage nicht nachgewähren muss. Dies sei nur bei nachgewiesener Arbeitsunfähigkeit der Fall. Auch das LAG Schleswig-Holstein entschied zuletzt ebenso, wogegen das LAG Hamm in einer neueren Entscheidung, eine analoge Anwendung von § 9 UrlG befürwortet.
- Entscheidung des LAG Schleswig-Holstein
In dem Fall, den das LAG Schleswig-Holstein (Urteil vom 15.02.2022, Az: 1 Sa 208/21; Arbeitsgericht Neumünster, 3. August 2021, Az: 3 Ca 362 b/21) zu entscheiden hatte, beantragte der Arbeitnehmer Urlaub, den der Arbeitgeber ihm auch bewilligte. Nach einem direkten Kontakt mit einem Corona-Infizierten ordnete das zuständige Gesundheitsamt für die Urlaubszeit die Corona- Quarantäne an. Der Arbeitnehmer musste also zuhause bleiben, war aber selbst nicht arbeitsunfähig erkrankt. Der Arbeitgeber sah den Urlaub dennoch als genommen an. Er zahlte für die Zeit Urlaubsentgelt und rechnete die Tage auf den Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers an.Der Arbeitnehmer vertrat dagegen die Auffassung, dass der Arbeitgeber ihm nicht wirksam Urlaub gewährt habe, sondern der Urlaubsanspruch immer noch bestehe. Aufgrund einer planwidrigen Regelungslücke sei § 9 BurlG zumindest analog anzuwenden. Er argumentierte damit, dass durch die Quarantäne seine Leistungsfähigkeit in Bezug auf die Arbeit wegegefallen sei, so dass der Arbeitgeber ihm überhaupt keinen Urlaub gewähren konnte. Zudem sei eine frei und selbst gewählte Urlaubsgestaltung aufgrund der Quarantäne gar nicht möglich gewesen.Dieser Argumentation hat sich das LAG Schleswig-Holstein nicht angeschlossen. Es bestätigte das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster. Eine analoge Anwendung des § 9 BUrlG auf den Fall einer Quarantäne-Anordnung während des Urlaubs könne nicht erfolgen. Es fehle schon an einer planwidrigen Regelungslücke, da die Unterscheidung zwischen Krankheit und einer Quarantäneanordnung wegen einer Ansteckungsgefahr bereits vor Corona bekannt war. Der Gesetzgeber habe mit § 9 BUrlG eine besondere Situation der Urlaubsstörung herausgegriffen und die anderen Fälle nicht entsprechend geregelt. Es handelt sich nach Meinung des Gerichts um eine nicht verallgemeinerungsfähige Ausnahmevorschrift. Im Übrigen sei eine klare Grenzziehung bei der Frage, wer das Risiko für die Urlaubsstörung trägt, nur möglich und praktikabel, wenn allein auf die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmenden abgestellt werde.
- Entscheidung des LAG Hamm
Auch hier wurde der Arbeitnehmer während seines Urlaubs unter behördliche Corona-Quarantäne gestellt. Der Arbeitnehmer ist als Schlosser bei einem Metall-Unternehmen angestellt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Manteltarifvertrag der Metall- und Elektroindustrie NRW Anwendung. Während seines Urlaubs musste er acht Tage in Quarantäne, weil er Kontakt hatte zu einem bestätigten COVID-19-Fall. Auch dieser Arbeitnehmer klagte, weil er die verlorenen Urlaubstage während der Quarantäne vom Arbeitgeber gutgeschrieben haben wollte. Nach seiner Meinung habe die Quarantäneanordnung dem Erholungszweck entgegengestanden. Bei einer solchen Anordnung erlösche der Urlaubsanspruch wie bei einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit analog § 9 UrlG nicht.
Das LAG Hamm gab dem Arbeitnehmer recht. Es urteilte, dass der Arbeitgeber die acht Urlaubstage gutschreiben und nachgewähren muss. Aus Sicht des Gerichts ist die Situation für den Arbeitnehmer im Fall einer behördlich angeordneten Corona-Quarantäne mit der einer Arbeitsunfähigkeit während des Urlaubs vergleichbar. Daher sei § 9 UrlG jedenfalls analog anzuwenden. Das LAG Hamm argumentierte insbesondere damit, dass der Arbeitnehmer, während seines Urlaubs gerade nicht frei über die Gestaltung seiner Zeit verfügen könne. Zwar schulde der Arbeitgeber grundsätzlich keinen Urlaubserfolg, aber der Arbeitnehmer müsse seine Freizeit uneingeschränkt nutzen können. Zudem seien die Grenzen zwischen Ausscheider nach Bundesseuchengesetz und Krankheit fließend, denn der Arbeitnehmer müsse ständig damit rechnen, sich doch infiziert zu haben.
Es bleibt abzuwarten, wie das BAG in dieser Frage entscheidet.
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Erstellt: 23. Februar 2022
Von Fachanwältin für Arbeitsrecht Anna Fischer
Laut Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 22. September 2021: Ja.
Arbeitgeber und Betriebsrat einer Münchener Verkehrsgesellschaft befanden sich im Streit darüber, ob die Verlängerung eines Arbeitsverhältnisses über die tarifliche Altersgrenze hinaus der Zustimmung des Betriebsrates bedurfte. Der beim Arbeitgeber anzuwendende Tarifvertrag regelte, dass ein Arbeitsverhältnis mit Ablauf des Monats endete, in dem der/die Arbeitnehmer-/in das gesetzlich festgelegte Alter zum Erreichen der Regelaltersgrenze vollendet hat, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Sofern der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer den (tarif-)vertraglich fixierten Beendigungszeitpunkt über die Regelaltersgrenze hinausschieben möchten, bietet § 41 S. 3 SGB VI unter den dort geregelten Voraussetzungen die Möglichkeit hierzu. Im zu entscheidenden Fall teilte der Arbeitgeber dem Betriebsrat mit, dass das Arbeitsverhältnis eines bestimmten Mitarbeiters, das aufgrund der tarifvertraglichen Regelung wegen Erreichens der gesetzlichen Regelaltersgrenze mit Ablauf des 31. Mai 2019 geendet hätte, auf Wunsch des Arbeitnehmers nach § 41 S. 3 SGB VI um ein weiteres Jahr fortgesetzt werde. Eine Zustimmung des Betriebsrates zu der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses holte der Arbeitgeber nicht ein. Er begründete dies damit, dass eine Zustimmung des Betriebsrates gem. § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG (mitbestimmungspflichtige Einstellung) in solchen Fällen nicht erforderlich sei. Dieses Recht sei bereits durch die Zustimmung zur ursprünglichen Einstellung verbraucht.
Das BAG entschied, dass die Weiterbeschäftigung eines Arbeitnehmers über ein auf das Arbeitsverhältnis anwendbare tarifliche Altersgrenze hinaus eine nach § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtige Einstellung sei. Eine solche komme nicht nur bei der erstmaligen Aufnahme eines Mitarbeiters in den Betrieb in Betracht. Die Interessen der bereits dort beschäftigten Arbeitnehmer seien auch berührt, wenn ein Beschäftigter über den zunächst vorgesehenen Zeitpunkt hinaus in „Lohn und Brot“ bleibe. Mit der Weiterbeschäftigung, so das BAG, nimmt der Arbeitgeber -nicht anders als bei einer Neueinstellung- eine Besetzung des aufgrund der Befristung des Arbeitsverhältnisses frei werdenden Arbeitsplatzes vor. Dies könne Zustimmungsverweigerungsgründe auslösen, die bei der Ersteinstellung nicht voraussehbar waren. Bei jeder befristeten Einstellung reiche die Beteiligung des Betriebsrates daher grundsätzlich nur bis zu der vorgesehenen Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Vor Abschluss einer Hinausschiebensvereinbarung im Sinne von § 41 S. 3 SGB VI ist der Betriebsrat daher gem. § 99 Abs. 1 BetrVG anzuhören. Eine solche Vereinbarung ist folglich mitbestimmungspflichtig. Führt der Arbeitgeber eine entsprechende personelle Maßnahme ohne Zustimmung des Betriebsrates durch, kann der Betriebsrat beim Arbeitsgericht beantragen, dem Arbeitgeber aufzugeben, die personelle Maßnahme aufzuheben.
Beschluss des BAG vom 22. September 2021 – 7 ABR 22/20