Befristeter Arbeitsvertrag mit gescannter Unterschrift?

Von Rechtsanwalt Manfred v. Gizycki

manfred v gizycki

 

 

 

 

 

 

Die Befristung eines Arbeitsvertrages erfordert die Schriftform. Ist hierfür eine gescannte Unterschrift ausreichend?

In dem vom Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg am 16. März 2022 (Az. 23 Sa 1133/21) entschiedenen Fall war die Arbeitnehmerin für ein Zeitarbeitsunternehmen tätig. Der Arbeitgeber schloss mit ihr mehr als 20 kurzzeitig befristete Arbeitsverträge bei entsprechenden Aufträgen von entleihenden Betrieben. Die einzelnen Arbeitsverträge bezogen sich jeweils auf die anstehende ein- oder mehrtätige Tätigkeit, zuletzt auf die Tätigkeit als Messehostess über mehrere Tage. Hierzu erhielt die Arbeitnehmerin jeweils einen auf diese Tage befristen Arbeitsvertrag mit der eingescannten Unterschrift des Geschäftsführers zugesandt. Diesen Vertrag unterschrieb sie und verschickte ihn per Post an den Personalverleiher zurück.

Die Leiharbeitnehmerin klagte gegen die zuletzt vereinbarte Befristung. Aus ihrer Sicht war diese mangels Einhaltung der Schriftform unwirksam. Der Personalverleiher machte geltend, dass es für die Einhaltung der Schriftform nicht nötig sei, dass der Arbeitnehmerin vor Arbeitsaufnahme eine im Original unterschriebene Annahmeerklärung des Arbeitgebers zugehe. Er kritisierte zudem das Verhalten der Arbeitnehmerin als widersprüchlich, da sie sich gegen eine Praxis wendete, die sie lange Zeit unbeanstandet mitgetragen habe.

Das Landesarbeitsgericht Berlin folgte der Sichtweise der Arbeitnehmerin. Wie bereits die Vorinstanz gab es der Klage statt. Es entschied, dass die vereinbarte Befristung unwirksam war, da die gemäß § 14 Abs. 4 TzBfG zwingend vorgeschriebene Schriftform nicht beachtet wurde. Um die Vorschrift im Sinne des § 126 BGB einzuhalten, sei eine eigenhändige Unterschrift oder eine qualifizierte elektronische Signatur erforderlich. Der vorliegende Scan genügte diesen Anforderungen in beiderlei Hinsicht nicht. Zur Begründung führte es aus, dass bei einer mechanischen Vervielfältigung der Unterschrift keine Eigenhändigkeit vorliege. Auch durch die datenmäßige Vervielfältigung durch Computereinblendung „in Form eines Scans“ liege keine Eigenhändigkeit vor. Den Anforderungen an eine qualifizierte elektronische Signatur konnte der Scan ebenfalls nicht genügen. Damit lag keine eigenhändig unterzeichnete Befristungsabrede vor. Eine solche hätte der Arbeitnehmerin vor Vertragsbeginn vorliegen müssen, um den Vertrag wirksam zu befristen. Nicht ausreichend sei eine etwaige spätere eigenhändige Unterzeichnung des befristeten Vertrages durch den Personalverleiher, stellte das Gericht fest.

Auch die Tatsache, dass die Leiharbeiternehmerin diese Praxis in der Vergangenheit hingenommen hatte, stand aus Sicht des Gerichts ihrer Klage nicht entgegen. Mit der Klage verhalte sie sich nicht treuwidrig, vielmehr sei ein etwaiges arbeitgeberseitiges Vertrauen in eine solche nicht rechtskonforme Praxis nicht schützenswert. Die Klage wurde auch ordnungsgemäß innerhalb der dreiwöchigen Frist nach vorgesehenem Befristungsablauf (§ 17 TzBfG) erhoben. Die Befristungsabrede war also unwirksam.

Was gilt, wenn Arbeitnehmer während ihres Urlaubs - ohne selbst infiziert zu sein – unter Quarantäne gestellt werden? Ist der Urlaub nachzugewähren?

Von Rechtsanwalt Tobias Wilkens

tobias wilkens

 

 

 

 

 

Wahrscheinlich nicht.

Die Tendenz der Gerichte geht dahin, dass der Arbeitgeber den Urlaub nicht nachgewähren muss. Das LAG Hamm befürwortete zuletzt eine analoge Anwendung von § 9 UrlG. Ob diese Vorschrift analog angewendet werden kann, beurteilen die Gerichte bislang unterschiedlich. Das LAG Köln (Urteil vom 13.12.2021, Az: 2 Sa 488/21) entschied, dass Arbeitgeber Mitarbeitern, die im Urlaub in Quarantäne müssen, die Tage nicht nachgewähren muss. Dies sei nur bei nachgewiesener Arbeitsunfähigkeit der Fall. Auch das LAG Schleswig-Holstein entschied zuletzt ebenso, wogegen das LAG Hamm in einer neueren Entscheidung, eine analoge Anwendung von § 9 UrlG befürwortet.

 

  1. Entscheidung des LAG Schleswig-Holstein

In dem Fall, den das LAG Schleswig-Holstein (Urteil vom 15.02.2022, Az: 1 Sa 208/21; Arbeitsgericht Neumünster, 3. August 2021, Az: 3 Ca 362 b/21) zu entscheiden hatte, beantragte der Arbeitnehmer Urlaub, den der Arbeitgeber ihm auch bewilligte. Nach einem direkten Kontakt mit einem Corona-Infizierten ordnete das zuständige Gesundheitsamt für die Urlaubszeit die Corona- Quarantäne an. Der Arbeitnehmer musste also zuhause bleiben, war aber selbst nicht arbeitsunfähig erkrankt. Der Arbeitgeber sah den Urlaub dennoch als genommen an. Er zahlte für die Zeit Urlaubsentgelt und rechnete die Tage auf den Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers an.Der Arbeitnehmer vertrat dagegen die Auffassung, dass der Arbeitgeber ihm nicht wirksam Urlaub gewährt habe, sondern der Urlaubsanspruch immer noch bestehe. Aufgrund einer planwidrigen Regelungslücke sei § 9 BurlG zumindest analog anzuwenden. Er argumentierte damit, dass durch die Quarantäne seine Leistungsfähigkeit in Bezug auf die Arbeit wegegefallen sei, so dass der Arbeitgeber ihm überhaupt keinen Urlaub gewähren konnte. Zudem sei eine frei und selbst gewählte Urlaubsgestaltung aufgrund der Quarantäne gar nicht möglich gewesen.Dieser Argumentation hat sich das LAG Schleswig-Holstein nicht angeschlossen. Es bestätigte das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster. Eine analoge Anwendung des § 9 BUrlG auf den Fall einer Quarantäne-Anordnung während des Urlaubs könne nicht erfolgen. Es fehle schon an einer planwidrigen Regelungslücke, da die Unterscheidung zwischen Krankheit und einer Quarantäneanordnung wegen einer Ansteckungsgefahr bereits vor Corona bekannt war. Der Gesetzgeber habe mit § 9 BUrlG eine besondere Situation der Urlaubsstörung herausgegriffen und die anderen Fälle nicht entsprechend geregelt. Es handelt sich nach Meinung des Gerichts um eine nicht verallgemeinerungsfähige Ausnahmevorschrift. Im Übrigen sei eine klare Grenzziehung bei der Frage, wer das Risiko für die Urlaubsstörung trägt, nur möglich und praktikabel, wenn allein auf die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmenden abgestellt werde.

 

  1. Entscheidung des LAG Hamm

Auch hier wurde der Arbeitnehmer während seines Urlaubs unter behördliche Corona-Quarantäne gestellt. Der Arbeitnehmer ist als Schlosser bei einem Metall-Unternehmen angestellt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Manteltarifvertrag der Metall- und Elektroindustrie NRW Anwendung. Während seines Urlaubs musste er acht Tage in Quarantäne, weil er Kontakt hatte zu einem bestätigten COVID-19-Fall. Auch dieser Arbeitnehmer klagte, weil er die verlorenen Urlaubstage während der Quarantäne vom Arbeitgeber gutgeschrieben haben wollte. Nach seiner Meinung habe die Quarantäneanordnung dem Erholungszweck entgegengestanden. Bei einer solchen Anordnung erlösche der Urlaubsanspruch wie bei einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit analog § 9 UrlG nicht.

Das LAG Hamm gab dem Arbeitnehmer recht. Es urteilte, dass der Arbeitgeber die acht Urlaubstage gutschreiben und nachgewähren muss. Aus Sicht des Gerichts ist die Situation für den Arbeitnehmer im Fall einer behördlich angeordneten Corona-Quarantäne mit der einer Arbeitsunfähigkeit während des Urlaubs vergleichbar. Daher sei § 9 UrlG jedenfalls analog anzuwenden. Das LAG Hamm argumentierte insbesondere damit, dass der Arbeitnehmer, während seines Urlaubs gerade nicht frei über die Gestaltung seiner Zeit verfügen könne. Zwar schulde der Arbeitgeber grundsätzlich keinen Urlaubserfolg, aber der Arbeitnehmer müsse seine Freizeit uneingeschränkt nutzen können. Zudem seien die Grenzen zwischen Ausscheider nach Bundesseuchengesetz und Krankheit fließend, denn der Arbeitnehmer müsse ständig damit rechnen, sich doch infiziert zu haben.

Es bleibt abzuwarten, wie das BAG in dieser Frage entscheidet.

Rechtsfrage aktuell: Steht dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht zu, wenn es zu einem Hinausschieben des Beendigungszeitpunktes eines Arbeitsverhältnisses kommt, das wegen Erreichens einer tarifvertraglichen Regelaltersgrenze enden würde?

Von Fachanwältin für Arbeitsrecht Anna Fischer

Laut Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 22. September 2021: Ja.anna fischer neu

Arbeitgeber und Betriebsrat einer Münchener Verkehrsgesellschaft befanden sich im Streit darüber, ob die Verlängerung eines Arbeitsverhältnisses über die tarifliche Altersgrenze hinaus der Zustimmung des Betriebsrates bedurfte. Der beim Arbeitgeber anzuwendende Tarifvertrag regelte, dass ein Arbeitsverhältnis mit Ablauf des Monats endete, in dem der/die Arbeitnehmer-/in das gesetzlich festgelegte Alter zum Erreichen der Regelaltersgrenze vollendet hat, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Sofern der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer den (tarif-)vertraglich fixierten Beendigungszeitpunkt über die Regelaltersgrenze hinausschieben möchten, bietet § 41 S. 3 SGB VI unter den dort geregelten Voraussetzungen die Möglichkeit hierzu. Im zu entscheidenden Fall teilte der Arbeitgeber dem Betriebsrat mit, dass das Arbeitsverhältnis eines bestimmten Mitarbeiters, das aufgrund der tarifvertraglichen Regelung wegen Erreichens der gesetzlichen Regelaltersgrenze mit Ablauf des 31. Mai 2019 geendet hätte, auf Wunsch des Arbeitnehmers nach § 41 S. 3 SGB VI um ein weiteres Jahr fortgesetzt werde. Eine Zustimmung des Betriebsrates zu der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses holte der Arbeitgeber nicht ein. Er begründete dies damit, dass eine Zustimmung des Betriebsrates gem. § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG (mitbestimmungspflichtige Einstellung) in solchen Fällen nicht erforderlich sei. Dieses Recht sei bereits durch die Zustimmung zur ursprünglichen Einstellung verbraucht.

Das BAG entschied, dass die Weiterbeschäftigung eines Arbeitnehmers über ein auf das Arbeitsverhältnis anwendbare tarifliche Altersgrenze hinaus eine nach § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtige Einstellung sei. Eine solche komme nicht nur bei der erstmaligen Aufnahme eines Mitarbeiters in den Betrieb in Betracht. Die Interessen der bereits dort beschäftigten Arbeitnehmer seien auch berührt, wenn ein Beschäftigter über den zunächst vorgesehenen Zeitpunkt hinaus in „Lohn und Brot“ bleibe. Mit der Weiterbeschäftigung, so das BAG, nimmt der Arbeitgeber -nicht anders als bei einer Neueinstellung- eine Besetzung des aufgrund der Befristung des Arbeitsverhältnisses frei werdenden Arbeitsplatzes vor. Dies könne Zustimmungsverweigerungsgründe auslösen, die bei der Ersteinstellung nicht voraussehbar waren. Bei jeder befristeten Einstellung reiche die Beteiligung des Betriebsrates daher grundsätzlich nur bis zu der vorgesehenen Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Vor Abschluss einer Hinausschiebensvereinbarung im Sinne von § 41 S. 3 SGB VI ist der Betriebsrat daher gem. § 99 Abs. 1 BetrVG anzuhören. Eine solche Vereinbarung ist folglich mitbestimmungspflichtig. Führt der Arbeitgeber eine entsprechende personelle Maßnahme ohne Zustimmung des Betriebsrates durch, kann der Betriebsrat beim Arbeitsgericht beantragen, dem Arbeitgeber aufzugeben, die personelle Maßnahme aufzuheben.

Beschluss des BAG vom 22. September 2021 – 7 ABR 22/20

Folge 41. Mindestlohn, oder: Das Zwölf-Euro-Problem │B&P BusinessTalk Podcast

 

B P

 

12 Euro Mindestlohn – diese Regelung hat jetzt der Bundestag beschlossen. Doch des einen Freud – des anderen Leid. In dieser Episode des BusinessTalk erklärt Thomas Falk, Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes Stade Elbe-Weser-Dreieck, wieso die Regelung in seinen Augen nicht unbedingt sinnvoll ist und welche unerwarteten Effekte sie hervorrufen könnte.

 

Hier geht es zum Video-Podcast: 

www.youtube.com/playlist?list=PL_1CfJM6SDfFMqBIiYYx75VH1sVBIB23p

Rechtsfrage aktuell: Kann die Ankündigung eines Arbeitnehmers gegenüber einer Kollegin, den Vorgesetzten aus dem Fenster schmeißen zu wollen, da er kurz vor einem Amoklauf sei, eine fristlose Kündigung rechtfertigen?

 

Von Rechtsanwalt Tobias Wilkens  tobias wilkens

Ja.

Kündigt ein Arbeitnehmer einem Kollegen gegenüber glaubhaft an, er beabsichtige seinen Vorgesetzten aus dem Fenster zu schmeißen und er sei kurz vorm Amoklauf, kann dies eine fristlose Kündigung rechtfertigen.

Dies entschied das Arbeitsgericht Siegburg am 4. November 2021 zum Aktenzeichen 5 Ca 254/21. Der Kläger war bei der Beklagten Stadt seit über 13 Jahren in der Buchhaltung beschäftigt. Der Kläger äußerte gegenüber seiner Kollegin nach einer Auseinandersetzung mit seinem Vorgesetzten über diesen: „Diesen kleinen Wicht schmeiße ich aus dem Fenster. Ich lasse mir das nicht länger gefallen. Ich bin kurz vorm Amoklauf. Ich sage Dir, blad passiert was. Der lebt gefährlich, sehr gefährlich.“

Der Kläger erhielt am 28. Dezember 2020 deswegen eine fristlose und hilfsweise fristgerechte Kündigung zum 30. Juni 2021. Hiergegen erhob er Kündigungsschutzklage.

Mit Urteil vom 4. November 2021 wies das Arbeitsgericht Siegburg die Klage ab. Die fristlose Kündigung hielt es nach Vernehmung der Kollegin als Zeugin für gerechtfertigt. Der wichtige Kündigungsgrund lag nach Auffassung der Kammer darin, dass der Kläger in ernstzunehmender Art und Weise gegenüber seiner Kollegin Äußerungen getätigt habe, die sowohl die Ankündigung für eine Gefahr von Leib und Leben des Vorgesetzten als auch die Ankündigung eines Amoklaufes beinhaltet hätten. Der Kläger habe nach Drohung nach Überzeugung des Gerichts absolut ernst gemeint. Eine vorherige Abmahnung sei in diesem Fall entbehrlich. Eine Weiterbeschäftigung des Klägers bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist sei dem Arbeitgeber nicht zuzumuten.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig und gegen das Urteil kann Berufung beim Landesarbeitsgericht Köln eingelegt werden. Die Entscheidung ist bislang nur als Pressemitteilung veröffentlicht und kann demnächst in der Rechtsprechungsdatenbank NRWE unter http://www.nrwe.de/5ca254/21 abgerufen werden.

Adresse

Arbeitgeberverband Stade Elbe‑Weser‑Dreieck e. V.
Poststraße 1
21682 Stade
Tel.: 04141 4101-0
Fax: 04141 4101-20
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